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Für Psycholog:innen
Mario Schnyder: «Die Rolle der Selbstreflexion beim Aufbau einer eigenständigen psychologischen Praxis»
Seit 2017 ist Mario als klinischer Psychologe tätig. In dieser Zeit hat er eine beeindruckende berufliche Laufbahn durchgemacht mit grosser Breite an Erfahrungen. Gleich nach seinem Abschluss übernahm er die Leitung von psychotherapeutischen Kinder- und Jugendgruppen bei der Erziehungsberatung Bern, was seine Leidenschaft entfachte, verhaltensauffällige Kinder auf spielerische und kreative Weise zu unterstützen. Diese Begeisterung führte ihn dazu, tiefer in den Bereich der Kinder- und Jugendpsychologie einzutauchen, was ihn zu einer mehrjährigen Tätigkeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Psychiatriezentrums Oberwallis brachte. Dort sammelte er wertvolle Erfahrungen in der systemischen Therapie und im Umgang mit komplexen Familienverhältnissen. Später wechselte er zu einer Stelle in einem Ambulatorium für Erwachsene bei der kantonalen Psychiatrie in der Region Berner Oberaargau, wo er auch in der Notfallpsychiatrie tätig war. Diese Einsätze lehrten ihn, in Stresssituationen Ruhe zu bewahren und komplexe Fragestellungen zu meistern. Im Frühling 2022, während des Abschlusses seiner Psychotherapieausbildung, begann er, sich zunehmend für eine selbstständige Tätigkeit zu interessieren und knüpfte erste Kontakte zum Team der innovativen Aepsy-Plattform. Heute arbeitet er parallel zu Aepsy in einer psychotherapeutischen Gemeinschaftspraxis in Lugano, welche primär systemtherapeutische Angebote für Paare und Familien anbietet.
Mario, wann hast du für dich herausgefunden, dass du dieser Tätigkeit nachgehen möchtest?
Den ersten entscheidenden Moment führe ich auf mein erstes Universitätsjahr in 2010 in Freiburg zurück: Ich begann damals einen Studiengang in Sozialarbeit und Sozialpolitik, während ich Psychologie als Nebenfach belegte. Im Laufe des Jahres wurde mir bewusst, dass mein Interesse an der Erklärung des menschlichen Verhaltens auf einer mehr individuellen als auf gesellschaftlichen Ebene Befriedigung fand. Als ich meine Studienausrichtung hin zur Psychologie wechselte, ging es mir dann plötzlich nicht mehr nur um das Verstehen, sondern auch darum, Menschen mit psychischem Leidensdruck oder Auffälligkeiten nah zu sein.
Hier erfahren wir, wie sehr Menschen durch positive Bindungserfahrungen und weitere korrektive emotionale Erfahrungen profitieren, um ein bedürfnisbefriedigendes Leben zu führen. Daher mein Wunsch, in der Fachrichtung «klinische Psychologie» tätig zu werden.
Wie haben dich deine Therapeut:innen im Rahmen der Selbsterfahrung während der Ausbildung beeinflusst? Wie haben sie dich in deiner Arbeit und deinem Privatleben beeinflusst?
Die Selbsterfahrung ist ein zentraler Bestandteil jeder schweizweit anerkannten Psychotherapieausbildung. Was während den Selbsterfahrungsstunden passiert, kann sehr unterschiedlich sein. Für mich waren sie hilfreich, um mich in meiner Rolle als Therapeut zu stärken, meine Kompetenzen besser zu erkennen und sie gezielt einzusetzen. Zudem setzte ich mich mit wichtigen Prägungen und deren Entstehungsgeschichte auseinander, was mir half, emotionalen Prozessen von KlientInnen unvoreingenommener zu begegnen. Ich lernte auch alternative Strategien kennen zur Bewältigung von Hemmungen und den Umgang mit unangenehmen Fakten.
Ein weiterer Aspekt der Selbsterfahrung ist das Erleben der Rolle des Hilfesuchenden. Wie fühlt es sich an, auf diesem Stuhl zu sitzen? Was brauche ich vom Therapeuten, um mich wohl zu fühlen und mich auf den Prozess einzulassen? Diese Erfahrungen ermöglichen es, allgemeingültige Schlussfolgerungen zu ziehen, die durch konkretes Erleben greifbarer und einprägsamer werden.
Die Selbsterfahrung beeinflusste auch mein Privatleben positiv, obwohl es manchmal schwerfällt, diese Einflüsse von anderen Ausbildungs- und Berufserfahrungen zu trennen. Insgesamt bin ich überzeugt, dass mich mein bisheriger Werdegang unterstützt hat, mein Leben nach meinen Präferenzen und Bedürfnissen zu gestalten, positive Beziehungen aufzubauen und einen wohlwollenderen Umgang mit meinen eigenen Grenzen und Schwierigkeiten zu finden.
Falls du mal eine Art «Aha-Moment» hattest – was ist bisher deine grösste Erkenntnis, die du in deinem Beruf hattest?
Im Laufe der letzten Jahre kam es zu einigen «Aha-Momenten», wobei die meisten, an die ich mich zurückerinnere, in der direkten Interaktion mit KlientInnen stattfanden. Wenn ich dazu gefragt werde, erwähne ich meist ein Erlebnis, welches ich in der Begegnung mit einer ängstlich veranlagten jungen Frau in meinen ersten Arbeitsjahren hatte, bei der sich im Beruf Misserfolgssituationen anhäuften. Obwohl während mehreren Sitzungen gezielt und methodisch im Hinblick auf die erfolgreiche Bewältigung der herausfordernden Situation vorgegangen wurde, blieb die junge Frau in ihren Angstgefühlen vorerst stecken. Als sie zu einem etwas späteren Zeitpunkt der Therapie plötzlich strahlend über einen beruflichen Erfolg berichtete und ich neugierig nach ihrer eigenen Erklärung dazu fragte, meinte sie, ich hätte ihr beim vergangenen Termin klar gesagt, an ihre Fähigkeiten zu glauben. Dies habe gereicht. Auf Nachfrage ergänzte sie, dass dies für sie nicht klar gewesen sei, genauso wie es für sie im Falle aller anderen Bezugspersonen unklar war.
Was hat dieses Erlebnis zu einem wichtigen «Aha-Moment» gemacht?
Die junge Frau wies mich auf einen etwas banalen, jedoch zentralen Aspekt des therapeutischen Vorgehens hin, auf den ich zuvor mehr über Bücher und Professoren hingewiesen wurde als durch eigene Erfahrung: Die Beziehungsebene ist ein äusserst wichtiger Wirksamkeitsfaktor und das Sicherstellen einer vertraulichen Beziehung eine Voraussetzung dafür, dass eine Auseinandersetzung auf Inhaltsebene überhaupt Sinn ergeben kann.
Gibt es etwas, das sich Menschen bewusst sein sollten, bevor sie eine Gesprächstherapie oder ein Coaching starten?
Psychologisches Coaching sowie psychologische Therapie verstehen sich als Hilfe zur Selbsthilfe. Somit ist ein aktives Zusammenwirken zentral beim Anstreben von Veränderungen. Sich bereits vor dem Start die Frage zu stellen, was man für eine Veränderung für sich wünscht und wie die Gespräche dazu beitragen könnten, kann hilfreich sein. Eine deutliche Wunsch- oder Zielvorstellung ist jedoch keinesfalls als Vorbedingung für den Beginn eines solchen Weges zu verstehen:
Es ist Teil des gemeinsamen Prozesses, sich über Anliegen und Wünsche bewusst zu werden und diese in einer konkreteren Zielformulierung zu definieren. Oder das bessere Bewusstwerden von eigenen Bedürfnissen und Wünschen kann vorerst als Hauptziel bei den Gesprächen verfolgt werden.
Eine solche Gesprächssituation kann anfangs für alle sehr ungewohnt sein: Die Tatsache, dass man gegenüber einer bis vor kurzem noch völlig fremden Person belastende Gefühle und eigene Schwierigkeiten offenlegt, kann mit Nervosität und anderen unangenehmen Empfindungen einhergehen. Dies hat gute Gründe und darf natürlich sein: Bei welchen Alltagssituationen tut man sonst so etwas? Wir möchten alle von unserer guten Seite gesehen werden und der/die Therapeut:in ist u.a. auch dafür da, diese wahrzunehmen.
Warum können in der Gesprächstherapie unangenehme Gefühle auftreten?
Da es bei einer Gesprächstherapie u.a. darum geht, mit sich selbst, den eigenen Gefühlen, Bedürfnissen und Denkmuster in Kontakt zu kommen, können vorübergehend unangenehme Empfindungen ausgelöst werden. Wenn dies passiert, ist es nicht automatisch als ein negatives Zeichen zu werten. Tragfähige Veränderungen geschehen häufig auf emotionaler Ebene. Die Deutung von und Umgang mit unangenehmen (oder unerwünschten) Erfahrungen können im Rahmen der Gesprächssituation angegangen werden.
Letztlich kann das Einnehmen einer möglichst realistischen Erwartungshaltung hilfreich sein, bevor man sich in eine psychologische Gesprächssituation begibt: Die Wirksamkeit von Coaching und Psychotherapie ist mittlerweile wissenschaftlich und auch auf verschiedenen Änderungsebenen gut belegt. Bemühungen von Seiten der Hilfesuchenden, relevante Inhalte im Alltag umzusetzen, scheinen für Erfolge eine wichtige Rolle zu spielen. Nicht jede Sitzung muss (oder kann) schliesslich ein «Aha-Erlebnis» oder unmittelbar bemerkenswerte, zielorientierte Veränderungen herbeiführen. Dies mag häufig auch gerade zu Beginn so sein, wo es für beide Seiten vorerst um Beziehungsaufbau und Vertiefung des Anliegens geht.
Was können Klient:innen von einer Gesprächstherapie oder einem psychologischen Coaching erwarten?
Der/die Klient:in kann erwarten, dass auf Belastungen, Bedürfnisse und Schwierigkeiten verständnis- und respektvoll eingegangen wird. Er/Sie kann davon ausgehen, dass der/die Therapeut:in auf seiner/ihrer Seite steht und Ressourcen in ihm/ihr erkennt. Der/die Klient:in darf vor der Gesprächssituation mit einem sicheren Raum rechnen, wo seine/ihre Themen deponiert und, bei Bereitschaft, bearbeitet werden können, ohne dass Informationen wider seines/ihres Willens nach aussen gelangen.
Dazu kann der/die Klient:in erwarten, selbst über Inhalte und Tiefe der Bearbeitung bestimmen zu dürfen. Und auch dass sein/ihr Tempo und die von ihm/ihr aufgezeigten Grenzen respektiert werden.
Natürlich gibt es Bedingungen, genau wie es auch bei Ärzten ist, welche eine Aufhebung der Schweigepflicht nötig machen, wie z.B. eine akute Suizidgefahr ohne Bereitschaft, angemessene Schutzmassnahmen zu akzeptieren. Wobei: Dies betrifft seltene Situationen, und eine solche Aktion «nach aussen» lässt sich grundsätzlich als eine im Interesse des/der KlientIn ausgerichtete Handlung verstehen.
Schliesslich soll bei einem psychologischen Coaching oder einer Gesprächstherapie damit gerechnet werden, dass der/die TherapeutIn auch einmal (oder mehrmals!) danebengreifen kann. In solchen Fällen ist es empfehlenswert, falls der/die TherapeutIn von sich aus nichts bemerkt oder ansprechen sollte, es selbst zu thematisieren. Es ist zu erwarten, dass der/die Therapeut:in das Anliegen ernst nimmt und bereit ist, darauf einzugehen.
Was schätzt du an der Selbstständigkeit und der Arbeit mit Aepsy?
Die Plattform ist äusserst benutzerfreundlich gestaltet und ermöglicht es mir, administrative Arbeit auf ein Minimum zu halten. Dies vereinfacht meine Tätigkeit als Selbstständiger und trägt dazu bei, dass ich mich auf das Wesentliche meiner Arbeit fokussieren kann: meine KlientInnen.
Dank dessen, dass die Sitzungen online stattfinden, kann ich selbst meine Verfügbarkeiten dynamisch bestimmen, und somit von zu Hause aus (oder von anderen passenden Örtlichkeiten aus) in für mich passenden Zeitfenstern arbeiten, was grosse Vorteile auf mein Privatleben und Wohlbefinden hat. Dadurch, dass es unter den Leistungserbringern eine Community gibt und zudem regelmässig Intervisionsgruppen stattfinden, fühle ich mich auch Teil eines Teams.
Ein weiterer Aspekt, den ich an der Arbeit mit Aepsy schätze, ist die unkomplizierte und angenehme Zusammenarbeit mit den Aepsy-Teammitgliedern. Ich erfahre das Aepsy-Team als sehr engagiert, die Plattform anhand der Bedürfnisse der Hilfesuchenden sowie der Leistungsanbieter weiterzuentwickeln, wobei wir Leistungsanbieter auch immer wieder miteinbezogen werden und unsere Wünsche einbringen können. Bei Aufkommen von technischen Problemen oder fachlichen Fragen wurde mir bisher immer eine rasche Hilfestellung geboten.
Schliesslich erlebe ich es als erfüllend, mit meinem Angebot an der wichtigen Mission von Aepsy teilnehmen zu können: Einen einfachen und stigma freien Zugang zu passenden Expert:innen die Zeit haben ermöglichen.
Über Mario
Mario ist seit 2017, d.h. seit etwa sieben Jahren, berufstätig. Er konnte damals gleich nach Erhalt seines Diploms als klinischer Psychologe die Leitung von psychotherapeutischen Kinder- und Jugendgruppen an der Erziehungsberatung Bern übernehmen, wo er dank Praktikumserfahrung bereits einen Fuss in der Tür hatte. Diese Tätigkeit liess in ihm eine grosse Faszination entstehen, überforderungsbedingte, verhaltensauffällige Kinder auf spielerische und kreative Art in der Bewältigung ihrer vielseitigen Herausforderungen zu begleiten. Diese Faszination verleitete ihn dazu, trotz Beginn einer auf Erwachsene ausgerichteten psychotherapeutischen Weiterbildung, tiefer in den Kinder- und Jugendbereich einzutauchen. So war er für seine erste mehrjährige Tätigkeit als klinischer Psychologe an der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Psychiatriezentrums Oberwallis angestellt. Dort durfte er mit Kindern, Jugendlichen und deren Eltern im Rahmen von Einzel-, Familien- und Elterngesprächen sowie im Rahmen von Tagesklinikaufenthalten zusammenarbeiten. Der systemischen Therapieausrichtung der Oberwalliser Psychiatrie sowie seinem ehemaligen Arbeitsteam verdankt er (u.a.) seine heutige Neigung dazu, das Erleben und Verhalten seiner KlientInnen im Rahmen eines erweiterten Kontextes zu betrachten und bei Therapieprozessen das soziale Umfeld ausreichend mitzuberücksichtigen und evtl. miteinzubeziehen.
Aufgrund eines sich aufdrängenden Bedarfes, im Rahmen der Psychotherapieausbildung erlernte Herangehensweisen in der Praxis mehr umzusetzen, trat er folglich eine Stelle in einem Ambulatorium für Erwachsene bei der kantonalen Psychiatrie in der Region Berner Oberaargau an, für die er auch regelmässige Einsätze in der Notfallpsychiatrie leistete. Die Notfalleinsätze stellten eine besonders lehrreiche Erfahrung dar, wenn es in seinem heutigen Handeln darum geht, Ruhe in Druck- und Stresssituationen zu bewahren und in unvorhersehbaren und komplexen Fragestellungen den Überblick zu behalten. Während der Abschlusszeit seiner Psychotherapieausbildung und bedingt durch private Lebensziele befasste er sich zunehmend mit Optionen einer Tätigkeit als Selbstständiger, so kam er im Frühling 2022 erstmals in Kontakt mit dem Team der innovativen Aepsy-Plattform.
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